„Im Gleichschritt marsch!“ – 300 Jahre Garnisonsstadt Gardelegen
Seit 1715 ist Gardelegen mit wenigen Unterbrechungen mit dem Militär verbunden. Die erste Bekanntschaft mit dem Heerwesen machten die Gardeleger aber schon ein knappes Jahrhundert früher, als die gute strategische Lage am Schnittpunkt wichtiger Handelswege gnadenlos ausgenutzt wurde: Im Dreißigjährigen Krieg machte kaum eine Truppe einen Bogen um Gardelegen – da wurde gebrandschatzt, gemordet, geplündert und vergewaltigt. Und auch die Schweden, die Gardelegen zwischen 1626 und 1648 besetzt hielten, benahmen sich nicht immer ritterlich. Kriegsrecht eben …
Man weiß daher auch nicht, ob die von Friedrich Wilhelm I. anno 1725 hier einquartierten Männer und Offiziere mit offenen Armen empfangen wurden. Fest steht, dass ein Teil des Königlich-Preußischen Infanterieregiments 27 von Potsdam in unsere Stadt verlegt wurde. Quartiergeber waren die Einwohner, die eine Stube für jeden Mann bereitzustellen hatten – „Bürgerquartier“ nannte man das damals. Der heute noch bekannte und oft ironisch gebrauchte Begriff „Einquartierung“ für gebetenen – oder ungebetenen – Besuch geht auf die Zeit des Preußenkönigs zurück.
Nachdem die Männer des 27. Infanterieregimentes die Stadt 1806 verlassen hatten – es ging gegen Napoleon –, kamen um 1860 rheinische Dragoner nach Gardelegen, die dessen guten Ruf als Kavalleriestandort begründeten. Schon im Herbst 1866 folgten die ersten Eskadronen des Königlich-Preußischen Ulanenregimentes Nr. 16, später benannt nach dem brandenburgischen General Joachim Henniges von Treffenfeld (1600-1688). Unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde das Regiment, dem König Wilhelm I. anlässlich einer seiner Letzlinger Hofjagden den Beinamen „Altmärkisches“ verliehen hatte, aufgelöst. Das Andenken an die Ulanen wurde in Gardelegen noch lange gepflegt – so wurde unweit des Tivoli-Platzes im Jahre 1923 ein längst beseitigtes Denkmal für die Gefallenen des 16. Regiments errichtet. Treppenwitz der Stadtgeschichte: Beim gegenüber dem Stendaler Tor aufgestellten Reiterdenkmal – heute befindet sich hier das VVN-Ehrenmal – handelt es sich nicht, wie landläufig behauptet wird, um ein Ulanen-Denkmal, sondern um die Erinnerungsstätte für die Gardeleger Gefallenen des I. Weltkrieges.
Mitte der 1930er Jahre begannen die Nationalsozialisten – illegal, weil durch den Versailler Vertrag verboten – mit der Wiederaufrüstung. Ab 1936 spielte Gardelegen dabei gleich in dreifacher Hinsicht eine Rolle. An der Bismarker Straße, gegenüber dem Städtischen Friedhof, wurde eine der modernsten Reit- und Fahrschulen der Wehrmacht, die so genannte „Remonteschule“, eröffnet. An der Stendaler Chaussee entstand das wichtigste Ausbildungszentrum für Fallschirmjäger. Das Fallschirmjägerregiment 1, eine für damalige Verhältnisse neue Waffeneinheit, der u.a. Boxweltmeister Max Schmeling angehörte, bezog hier sein Standquartier. Gleich gegenüber wurde einer der größten Reparaturflughäfen der Luftwaffe – im Volksmund „Fliegerhorst“ genannt – errichtet. Dass die Einwohnerzahl Gardelegens damals die „Zehntausender Schallmauer“ durchbrach, ist dieser Epoche als Garnisonsstadt geschuldet.
Mit dem Ende des Krieges wurde Gardelegen nacheinander von US-amerikanischen, englischen und sowjetischen Truppen besetzt. Letztere übernahmen die noch intakten Einrichtungen der Wehrmacht und der Luftwaffe, also die „Remonteschule“ und den „Fliegerhorst“. Die Gardeleger Garnison der sowjetischen Streitkräfte bestand bis zum 31. Mai 1991 – dann wurde der letzte russische Stadtkommandant, Major Sergej Ostjapenko verabschiedet. Damit und mit der Auflösung der seit Anfang der 1950er Jahre hier stationierten Einheiten der Grenztruppen der DDR endete vorerst die Geschichte Gardelegens als Garnisonsstadt …
Ihr neues Kapitel wurde 1994 aufgeschlagen: Auf einem seit 1936 von der Wehrmacht und später bis 1991 von der sowjetischen Armee genutzten Areal bei Letzlingen begannen die Vorarbeiten für die Errichtung des Gefechtsübungszentrums Heer der Bundeswehr. Es ist Bestandteil des in der Colbitz-Letzlinger-Heide befindlichen Truppenübungsplatzes Altmark. Der Aufbau des Zentrums erfolgte in den Jahren 1995 bis 1999; dazu gehörte auch ein Kasernenneubau in Letzlingen. Auf dem 232 km² großen Übungsplatz, der zu den modernsten, größten und meistgenutzten seiner Art zählt, werden seit dem Jahr 2000 Lehrgänge durchgeführt. Für 2017 ist die Inbetriebnahme einer mittleren Industriestadt nachgebildeten „Übungsstadt Schnöggersburg“ geplant, eine deutschlandweit einmalige Anlage, auf der gleichzeitig bis zu 1.500 Soldaten trainieren können. Die Geschichte der „Garnisonsstadt Gardelegen“ ist also noch längst nicht zu Ende …
Unsere Buchempfehlungen
Otto Wernicke: Ulanen-Regiment Hennigs von Treffenfeld – Altmärkisches – Nr. 16. 1866-1918
Otto Wernicke: III. / FJR 1 – Ein Bericht über das III. Bataillon des Fallschirmjäger-Regiments 1.